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BAY CITY ROLLERS - Kultband der 70er Jahre! Tartan, Träume und Tragödien!
Rollermania – ein Wort, das klingt, als hätte es sich ein Pop-Redakteur aus den BRAVO-Redaktionsräumen ausgedacht, während er noch einen Rest von Beatlemania auf der Zunge trug. Und vielleicht war es auch genau so. Doch was es bezeichnete, war mehr als bloß eine PR-Vokabel: Es war die kurzzeitige, aber explosive Euphorie um fünf junge Männer aus Edinburgh, die in der Mitte der 1970er Jahre für einen Moment lang die größte Teenie-Band der westlichen Hemisphäre waren.
Die Geschichte beginnt in den späten 60ern, als Alan und Derek Longmuir, zwei blutjunge Brüder aus Schottland, die Band Ambassadors gründeten. Später folgte eine Umbenennung in Saxons, doch es war ein blind geworfener Pfeil auf eine US-Karte – der in Bay City, Michigan landete –, der sie endgültig taufte: Bay City Rollers. Hätten sie eine Deutschlandkarte benutzt, wären wir heute vielleicht bei der „Harzer Roller Mania“.
Zum klassischen Line-Up gesellten sich bald Les McKeown, Stuart “Woody” Wood und Eric Faulkner. Sie waren jung, charmant und in Tartan gehüllt – einem Pop-Outfit aus karierten Schottenstoffen, das ihre schottische Herkunft zum Markenzeichen machte. Ihre Fangemeinde wuchs explosionsartig: In ihrer Hochphase zählten die offiziellen Fanclubs über 150.000 Mitglieder weltweit, BRAVO brachte 33 Starschnitt-Teile, unzählige Poster und ließ die Rollers OTTO-Gold 1975 und 1976 gleich doppelt gewinnen.
Musikalisch pendelten die Rollers zwischen Bubblegum, Glam und leichtem Rock – Songs wie „It’s A Game“ (elf Wochen Nr. 1 in der BRAVO-Musicbox), „Bye Bye Baby“ oder „Saturday Night“ (Top 1 in den USA) waren keine musikalischen Revolutionen, aber sie trafen das Lebensgefühl einer Generation: süß, aufrührerisch, harmlos rebellisch.
Doch wie so oft im Popgeschäft wurde der Erfolg zum Gift.
Manager Tam Paton, eine umstrittene Figur zwischen Kontrolle und Kaltherzigkeit, lebte nach dem Prinzip „hire and fire“. Bandmitglieder wurden ausgewechselt, ausgetauscht, ersetzt. Die Gerüchte hielten sich hartnäckig, dass die Rollers anfangs nicht einmal ihre Instrumente selbst spielten – eine Wahrheit mit Halbwahrheit: das Debütalbum „Rollin‘“ wurde von Studiomusikern eingespielt. Später bewiesen sie auf der Live-CD „Rollerworld – Live at the Budokan“ (2000) eindrucksvoll das Gegenteil.
1976 verließen sie Europa, landeten einen Überraschungshit in den USA – und verloren gleichzeitig ihre Basis in Großbritannien. Der Imagewechsel zum ernsthaften Rockprojekt unter dem verkürzten Namen The Rollers scheiterte kläglich. Die Alben der Spätphase (1978–1981) gingen weitgehend unter.
Der finanzielle und rechtliche Nachhall dieser Popsturm-Phase ist bis heute nicht verklungen. 70 bis 120 Millionen verkaufte Platten – doch die Frage, wo die Tantiemen geblieben sind, ist bis heute ungeklärt. Der jahrzehntelange Rechtsstreit mit Arista/BMG ist ein Kapitel Popgeschichte, das zeigt, wie gierig die Maschinerie sein kann – und wie wenig am Ende für die Künstler bleibt.
Tam Paton starb 2009, umgeben von Luxus, seine Hunde erben Millionen. Die Bandmitglieder? Tourten weiter – mal zusammen, mal gegeneinander, mit neuen Sängern, alten Hits und der Nostalgie als Kapital.
Les McKeown, die Stimme der Rollers, blieb vor allem in Japan ein Star, hatte 1988 noch einen kleinen Comeback-Moment mit Dieter Bohlen. Er starb 2021 in London. Alan Longmuir verstarb bereits 2018 an den Folgen einer Infektion. Der Glanz vergangener Tage – überstrahlt heute von Tragik, Streit und Melancholie.
Und doch bleibt etwas: Rollermania war real. Kurz. Laut. Und unvergessen.