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Christian Anders –
Der Außenseiter mit Hitpotenzial und Heilsanspruch
Ein Porträt zwischen Schlager, Spirit und Skandal.
Es gibt Künstler, deren Leben so eng mit ihren Widersprüchen verwoben ist, dass man sie nie ganz greifen kann – Christian Anders ist einer von ihnen. Geboren am 15. Januar 1945 im österreichischen Bruck an der Mur als Antonio Augusto Schinzel-Tenicolo, verbringt er seine frühe Kindheit auf Sardinien, bevor er im Alter von zehn Jahren nach Deutschland kommt. Was zunächst nach einem konventionellen Lebensweg aussieht – eine Lehre als Elektroinstallateur, ein angehendes Ingenieurstudium – endet in der Auflösung zugunsten der Musik, seiner wahren Leidenschaft. Noch bevor man ihn auf Bühnen kannte, tourte er mit amerikanischen Bands durch das europäische Nachtleben.
Sein erster Plattenvertrag folgt 1966 – und bereits 1969 landet er mit „Geh’ nicht vorbei“ einen Megahit, der sich über eine Million Mal verkauft. Anders’ Stimme, klagend und doch klar, melancholisch und dennoch massentauglich, trifft den Nerv der Zeit. In den folgenden Jahren reiht sich Hit an Hit: „Nie mehr allein“, „Es fährt ein Zug nach Nirgendwo“, „Einsamkeit hat viele Namen“ – Lieder, die bittersüße Lebensentwürfe in Klang gießen. Christian Anders wird zur Stimme jener, die zwischen Herzschmerz und Sehnsucht taumeln.
Und doch war er nie nur ein bloßer Schlagerlieferant. Anders schrieb auch Bücher, etwa den 1976 veröffentlichten Roman „Der Brief“, der unter dem Titel „Explosion einer Liebe“ sogar als Fortsetzungsroman in der Jugendzeitschrift BRAVO erschien – eine Melange aus Kitsch, Drama und existenziellen Fragen. Filmisch hingegen blieb seine Präsenz blass. Rollen in seichten Komödien wie „Wenn die tollen Tanten kommen“ oder „Wir hauen den Hauswirt in die Pfanne“ verpufften ohne Relevanz.
Christian Anders suchte lieber die große Geste. In Pelzmantel und Rolls-Royce kam er zu Interviews – und ließ Journalisten dort auch gern mal stehen. Für seinen Hang zur Selbstinszenierung und seine ausgeprägte Egozentrik wurde ihm 1974 die berüchtigte „Goldene Distel“ verliehen – ein Spottpreis für „Starallüren und Sich-selbst-zu-wichtig-Nehmen“.
In den späten 1980ern verlässt Anders Deutschland und geht in die USA. 1993 kehrt er zurück – spirituell transformiert, nun unter dem Namen Lanoo, Sanskrit für „Schüler“. Doch statt innerem Frieden liefert er zunehmend Provokationen: Er äußert Verschwörungstheorien über AIDS, protestiert nackt vor einem Gefängnis und bietet seine Verlobte einem Millionär an. Die Grenze zwischen Rebellion und Realitätsverlust verschwimmt.
Christian Anders war nie bereit, sich dem Mainstream zu beugen – weder künstlerisch noch menschlich. Ob man ihn als Schlagersänger, spirituellen Guru oder enfant terrible wahrnimmt, bleibt eine Frage des Standpunkts. Unbestritten aber ist: Er hat mit seiner Musik, seinen Büchern, seinen Auftritten und seinen Skandalen Spuren hinterlassen – teils tief, teils irritierend, aber immer unverwechselbar.
