Sie hätte für den Deutschen Beat- und Schlagermarkt der 1960er ein ebenso großer Star wie Manuela werden können. Die Stimme dazu hatte sie und auch das musikalische Talent. Das war ihr bereits in die Wiege gelegt worden. Schließlich war ihr Urgroßvater Opernkomponist. An der Auswahl ihrer Songs kann es auch nicht gelegen haben. Namhafte Musiker wie Peter Maffay, Drafi Deutscher und Michael Holm schrieben ihr Hits auf den Leib. Auch an Fernsehauftritten mangelte es Marion nicht. Nicht nur in der ZDF Hitparade, auch in anderen Unterhaltungshows von ARD und ZDF war sie häufiger und gern gesehener Gast. Verbindungen? Mitte der 1970er Jahre war Marion kurzfristig mit Frank Elstner liiert. Aus dieser Liaison ging Tochter Masha hervor.
Warum es also trotz allerbester Voraussetzungen für Marion nicht zu einer größeren, lang anhaltenden Karriere reichte, wird für ewig ein Rätsel bleiben. Als Marion Litterscheid wird sie im August 1943 in Flensburg an der Grenze zu Dänemark geboren, erlernt nach dem Abitur den Beruf der Sekretärin und nimmt nebenbei heimlich Gesangsunterricht. Heimlich deshalb, weil Vater Litterscheid das Singen für brotlose Kunst hält: »Singen kann jeder Vogel, und was verdient schon ein Vogel?« (BRAVO 1966 Ausgabe zwölf)
Auf der Hannover-Messe 1964 hat sie ihren ersten größeren Auftritt. Am Stand einer Tonbandgerätefirma in Halle 11 arbeitet sie täglich von 09–18 Uhr. Ihre Aufgabe besteht darin, alle 15 Minuten einen Schlager zu singen und dabei das beworbene Tonbandgerät zu schütteln. So soll demonstriert werden, dass das Gerät auch bei Erschütterungen verlustfrei arbeitet. Gigantisch für damalige Verhältnisse ist die Gage, die sie dafür erhält: Pro Tag 100 DM!
Ende 1964 nimmt Marion an einem Nachwuchswettbewerb von Pepsi-Cola teil und belegt nach 76 Abenden gegen 800 Mitkonkurrenten Platz zwei. Der Lohn: Eine 12tägige Amerika-Reise und ein Schallplattenvertrag der Firma Polydor. Zwei Singles darf sie herausbringen; für den ersten (»Liebe auf den ersten Blick«) zeichnet übrigens ein gewisser Joe Menke verantwortlich, Vater der späteren NDW-Sängerin Fräulein Menke. Die zweite Single ist die deutsche Fassung des Twinkle-Hits »Terry« (Nummer vier in Großbritannien).
Beide Singles floppen, Polydor beendet die Zusammenarbeit, Marion wechselt zu Hansa und erhält dort von Produzent Peter Meisel den von Christian Bruhn und Günter Loose verfassten Titel »Er ist wieder da«. Eigentlich sollte Manuela den Titel singen. Warum es nicht dazu kam, ist nicht überliefert. Der Song kommt genau zur rechten Zeit. Mehr Beat als Schlager mit einer eingängigen Bass-Linie, die die einzelnen Strophen unterstreicht, passt der Song genau in den Hype, den die Beat Musik ausgelöst hat und der sich in den Ohren der begeisterten Jugend festgesetzt hat.
In BRAVO wird Marions Hit (Einstieg 13.12.1965) 18 Wochen lang notiert und erzielt als Höchstplatzierung Rang fünf. Gemeinsam mit ihrem nächsten Musicbox-Beitrag »Ich hab‘ einen guten Freund gehabt«, der bis auf zwölf geht, belegt Marion bei der Abrechnung der erfolgreichsten Interpreten des Jahres noch Rang 18. Bei der Wahl der beliebtesten Sängerinnen des Jahres erhält Marion von den BRAVO-Lesern hinter Wencke Myhre und Manuela den Bronzenen OTTO für Platz drei.
Doch dann ist die so großartig gestartete Karriere von Marion schon fast wieder vorbei. Zwar bringt sie im Laufe der Jahre als Marion Maerz immer wieder Songbeiträge – solo und in unterschiedlichen Duetten – heraus, den Erfolg von »Er ist wieder da« mit über 100.000 verkauften Einheiten kann sie jedoch nicht wiederholen.