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Grand Funk Railroad –
Aufstieg, Zerwürfnis und das bittere Nachspiel eines amerikanischen Rock-Märchens
Die Geschichte von Grand Funk Railroad – kurz Grand Funk – ist für eingefleischte Rockfans längst ein Kapitel aus dem Buch der Legenden: ein Trio, das sich Anfang der 70er Jahre in Lichtgeschwindigkeit von der Garagenbühne auf die Arenen des Kontinents katapultierte. Laut, roh, kompromisslos – eine Working-Class-Band, die das Herz des amerikanischen Rock’n’Roll wie kaum eine zweite zum Pulsieren brachte.
Was viele aber nicht wissen – oder verdrängt haben –, ist das Kapitel nach dem letzten Applaus. Denn was sich in den Jahren nach der großen Reunion 1998 abspielte, klingt weniger nach Rock-Hymne, dafür umso mehr nach juristischem Krimi mit menschlicher Tragik. Niemand erzählt es eindrücklicher als Mark Farner, der kreative Kopf und die stimmliche Urgewalt hinter den Klassikern der Band:
„Es war während unserer Reunion. Don (Brewer) kam zu mir und schlug vor, dass wir eine Firma gründen, in der jeder von uns ein Drittel an dem Namen Grand Funk Railroad hält. So könne jeder unter dem Namen auftreten. Ich sagte: Okay, warum nicht? Ich hielt Don für einen Freund. Aber ich habe das Kleingedruckte nicht gelesen. Da stand, dass man mit zwei Dritteln einen Anteilseigner rauswerfen kann. Und genau das ist passiert. Don und Mel (Schacher) haben mich aus der Firma geworfen. Jetzt touren sie als Grand Funk – und spielen meine Songs. Ich darf nur noch unter ‚Mark Farner‘ auftreten.“
Es ist die Art Geschichte, die nicht ins Presskit passt, aber zur Rockhistorie dazugehört: Freundschaft, Verrat, Rechtsstreit – während das Publikum weiter zu „We’re an American Band“ feiert, spielt sich im Hintergrund ein menschliches Drama ab.
Dabei war Grand Funk Railroad in ihren Hochzeiten nichts weniger als eine amerikanische Antwort auf den britischen Hardrock. Mit einem Dutzend Alben und etwa doppelt so vielen Singles fegte die Band in den frühen 70ern über die US-Charts wie ein Sturm. In Europa – insbesondere in Deutschland – blieb ihnen der große Durchbruch allerdings weitgehend verwehrt. Abgesehen von ihrer Version von „The Loco-Motion“ schlugen die Singles hier nicht ein.
Zu Unrecht.
Denn was Grand Funk boten, war mehr als bloß harte Riffs. Es war ein Sound, durchzogen von Blues, durchzogen von Funk, getragen von Mel Schachers donnerndem Bass und einer Energie, die auch dem letzten Reihenhaus die Ziegel vom Dach blies. Wer das bezweifelt, sollte sich einmal „Gimme Shelter“ in der Version von Grand Funk anhören. Aber bitte: Laut. Richtig laut.
Das vielleicht eindrucksvollste Statement der Band stammt vom dritten Studioalbum „Closer To Home“ – eine Platte, die wie ein Fels in der Brandung der Rockgeschichte steht. Darauf: der gleichnamige Song, geschrieben von Mark Farner. Ein zehnminütiges Epos über einen Kapitän, der sich einer Meuterei gegenübersieht – eine Parabel auf Verantwortung, Widerstand und innere Stärke. Die Studiofassung ist cineastisch, die Liveversionen, besonders von Farner selbst, sind ein Erlebnis für sich – roh, ehrlich, voller Pathos.
Heute sind Grand Funk Railroad auf den Bühnen unterwegs – aber ohne Farner, ohne die Stimme, die den Sound definiert hat. Er spielt weiter, auf eigene Faust, unter seinem Namen – mit Würde, mit Überzeugung, mit Feuer.
Denn manche Flammen, das wissen wir aus der Geschichte des Rock’n’Roll, lassen sich nicht einfach löschen.