Jedes Land hat die Stars, die es verdient, sagt man. Das gilt im Besonderen für Modern Talking, jenes Pop-Duo, bestehend aus Dieter Bohlen und Thomas Anders, das von 1983 bis 1987 und von 1998 bis 2003 120 Millionen Tonträger verkaufte. Damit ist Modern Talking die kommerziell erfolgreichste deutsche Popformation.
Und dies, obwohl oder gerade weil Kritiker kübelweise Häme über Bohlen und Anders ausschütteten. »Kennt man einen, kennt man alle Modern Talking-Songs«, hieß es immer. Komponist Bohlen machte daraus auch nie einen Hehl, denn was der Bauer kennt, das frisst er und was der Hörer kennt, das hört er. Aber entgegen anders lautender Meinung bestanden die MT-Hits aus mehr als drei Akkorden und waren ziemlich clever konstruiert.
Beeinflusst von Euro-Dance (eingängige Melodie, sloganhafte Texte), Italo-Disco (Fox The Fox, »Precious Little Diamond«) und den Bee Gees (Falsettgesang von Sänger und Chor) schrieb Cleverle Bohlen, bekocht von Naddel, Hit auf Hit.
Die ersten drei Singles »You're My Heart, You're My Soul«, »You Can Win If You Want«, »Cheri Cheri Lady« erreichten alle die Nummer-eins-Position und ebneten den Weg für weitere Chart-Erfolge. Zu den meist um Liebe kreisenden Texten bemerkt Bohlen in seiner Autobiografie: »Ich wusste nicht, dass wir einen Welthit haben würden, deshalb habe ich den Text (von »You're My Heart ...«) mal eben in einer halben Minute hingekliert. Popoabwischen dauert länger!«
Als sich Bohlen und Anders wegen interner Querelen 1987 trennten, hatten sie 60 Millionen Tonträger verkauft. Grund für den Zwist: Nora Balling, die Ehefrau von Thomas, die sich ständig in Interna einmischte. Diese penetrant zur Schau gestellte Liebe zwischen Anders, der mit bürgerlichem Namen Bernd Weidung heißt, und seiner Nora, deren Namenszug er stolz an einer Kette trug, ging der aufgeklärten Öffentlichkeit ebenso auf den Geist, wie das Auftreten der beiden Hauptakteure. Bohlen mit der damals angesagten Vokuhila-Frisur, Anders in bunten Schlabberanzügen und mit langem Wallehaar, beide ordentlich gebräunt. Legendär ist in diesem Zusammenhang das Bonmot des Musik Express-Redakteurs Martin Brem von der »Sonnenbank gebräunten Sangesschwuchtel«, die Anders gerichtlich anfechten ließ.
Bohlen schrieb nach der Trennung weiter unverdrossen für andere Künstler und sein Blue System. Anders' Solo-Versuche waren dagegen Rohrkrepierer. Bohlen, immer wieder nach einer Best-Of-Kopplung gefragt, schlug seiner Plattenfirma eine Reunion vor, die 1998 Fakt wurde.
Anders war inzwischen von Nora getrennt, eigentlich konnte nichts schief gehen. Und richtig: Die nächsten 60 Millionen Tonträger wurden verkauft, Hits, Alben am Fließband. Als Bohlen aber behauptete, Anders habe sich an der Bandkasse bedient, gab es erneut Krach, die erneute Trennung folgte. Dieter Bohlen wird es verschmerzt haben - er war in der Zwischenzeit durch seine Jury-Kommentare bei »Deutschland sucht den Superstar«, kurz DSDS, und seine kontroverse Biografie »Nichts als die Wahrheit« längst zum bundesweiten Kult geworden.
Modern Talking, die in Europa, Asien, Südamerika, Australien und einmal sogar in England Erfolge feierten, werden für zwei Hand voll Hits erinnert, die im Rückblick wirkliche Disco-Heuler waren und sind. (Aus BRAVO 1956 – 2006, mit frdl. Genehmigung des Herausgebers)